Risiko
Risiko (Wagnis, Gefahr, vom Schicksal / Zufall abhängen, vermutlich aus dem Italienischen [1], siehe Wortherkunft) wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich definiert (siehe Risikobegriff in verschiedenen Fachdisziplinen). Allen Definition gemeinsam ist die Beschreibung des Risikos als Ereignis mit möglicher negativer (Gefahr), eventuell auch mit positiver Auswirkung (Chance). Da nicht alle Einflussfaktoren bekannt sind, bzw. vom Zufall abhängen, ist das Risiko mit einem Wagnis verbunden.
Eine Gefahr besteht, wenn eine Sachlage eine schädliche Wirkung haben kann. Gefahren sind also beispielsweise eine Unebenheit in der Straße, eine unbeaufsichtigte Maschine, ein Feuer, ein Terroranschlag.[3] Der zweite zu betrachtende Faktor ist die Exposition, also wie sehr eine betrachtete Person oder betrachteter Gegenstand der Gefahr ausgesetzt ist: Ein Terroranschlag in München ist für eine Person in Hamburg ungeachtet der Gefühlslage vergleichsweise ungefährlich.
Ein Risiko besteht nur dann, wenn eine Gefahr und die Exposition gemeinsam auftreten.[3] Das Risiko drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der eine betrachtete Person oder ein betrachteter Gegenstand auf eine Gefahr stößt. Ein Tiger kann als Gefahr betrachtet werden.[3] Solange der Tiger sich in seinem verschlossenen Käfig befindet, ist die Exposition aber nicht möglich und es besteht kein Risiko.[3] Trotzdem besteht die Gefahr weiter, denn diese ist nur an die Existenz des Tigers geknüpft.
Auf Grund des begrenzten Wissens über Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß ist es von einer Reihe von Begriffen abzugrenzen.
Im Unterschied zum Begriff Risiko ist der Begriff Wagnis tendenziell mit einer ethischen Komponente verbunden und findet deshalb bevorzugt in den Geisteswissenschaften (Theologie, Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Sportwissenschaften etc.) Verwendung (Wagnis Freundschaft, Wagnis Ehe, Wagnis Sport).[5] [6][7]
Im juristischen Sprachgebrauch wird das Risiko von der Gefahr abgegrenzt. Hier beschreibt Gefahr eine Situation, in der bei ungehindertem, nicht beeinflussbaren Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem erwarteten Schaden führt. Die Gefahr stellt ein stärkeres Risiko dar.[8] Ferner wird das Risiko vom Restrisiko abgegrenzt, das zunächst als schwächeres Risiko bezeichnet werden kann.
Zur Unterscheidung der Begriffe Gefahr, Risiko und Restrisiko wurde auch die „Je-desto“ Formel entwickelt. Sie besagt, dass bei größerem drohenden Schadensumfang infolge von Synergieeffekten die Ansprüche an die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses geringer sind, um dennoch von einer Gefahr zu sprechen. Diese Abgrenzung wird jedoch schwierig, wenn es unmöglich erscheint, Aussagen über Schadenshöhe oder Eintrittswahrscheinlichkeit zu treffen.
In diesem Fall verfließen die Grenzen zwischen Gefahr und Risiko sowie Risiko und Restrisiko. Vorstellbar ist hier, dass das Schadenspotenzial eines benannten Restrisikos um ein Vielfaches höher sein kann als das einer klar definierten Gefahr. Beispiel: Bis zum 11. September 2001 konnte sich niemand vorstellen, dass Terroristen mit Flugzeugen das World-Trade-Center in New York zum Einstürzen bringen würden. Dieses Ereignis wurde bis dahin als sehr unwahrscheinlich und damit als Restrisiko betrachtet. Nach dem 11. September stellt ein terroristischer Angriff aus der Luft jedoch eine Gefahr dar.
In Gegensatz zu Ereignissen unter Ungewissheit und Unwissenheit ist das Eintreten eines Risikos kalkulierbar. Bei der Ungewissheit sind die möglichen Auswirkungen bekannt, man verfügt jedoch nicht über Informationen zur Eintrittswahrscheinlichkeit. Beim Unwissen sind auch die Auswirkungen der untersuchten Handlungsalternativen nicht vollständig bekannt. In beiden Fällen ist das Ereignis mehr als beim Risiko, unkalkulierbar. Es ist aber auch denkbar, dass weder die Schadenshöhen noch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses bekannt sind.
Die Eintrittshäufigkeit bezeichnet dabei die Häufigkeit, mit der ein Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls eintritt. So bedeutet z. B. 0,01 Ereignisse pro Jahr, dass im Mittel ein Schadensereignis einmal in 100 Jahren beobachtet worden ist. Solche Einschätzungen sind abhängig von den verfügbaren statistischen Daten und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie sind nur dann halbwegs verlässlich, wenn eine genügend große Zahl von Beobachtungen vorliegt (Gesetz der großen Zahlen). Der Schluss, ein Ereignis mit der beobachteten Eintrittshäufigkeit würde auch in Zukunft "nur alle 100 Jahre" auftreten, ist bei Zufallsereignissen ein Fehlschluss.
Die Einheit des Schadensausmaßes hängt vom jeweiligen Sachgebiet ab. Es können Werte sein, die sich in Geldgrößen ausdrücken lassen (€), es kann sich aber auch um befürchtete Tote, potenziell schwer Betroffene oder den Totalverlust eines Flugzeuges handeln. Selbstverständlich lässt sich nicht jedes Schadensausmaß in Geld ausdrücken, letztendlich ist mangels einheitlicher Definitionen für "Schaden" die Bewertung oft subjektiv.
Im Arbeitsschutz wird bei der Risikobeurteilung auf Grenzwerte (z.B. aus Unfallverhütungsvorschriften) und standardisierte Verfahren (z.B. aus Normen), wie sie z.B. bei der Beurteilung von Sicherheitssystemen (z.B. Nothalt als Hard- oder Software) verwendet werden (Risikograph), zurückgegriffen und wo dies nicht möglich ist zur Objektivierung (Risikoabschätzung) die Risikomatrix (nach Nohl) verwendet.[10]
Im Bereich Katastrophenschutz, genauer des Feuerwehrwesens ist die Brandschutzbedarfsplanung mit den Themen Schutzziel und Hilfsfrist relevant. Dabei werden neben den obigen Faktoren die Maßnahmen zur Risikobewältigung (Mannschaftsstärke, Ausrüstung) und Risikominderung (vorzeitige Evaluierung der Risiken, politischer Konsens über Schutzziel bzw behördliche Vorgabe des Zielerreichungsgrades) betrachtet.
In der systemtheoretischen Soziologie wird der Begriff des „Risikos“ benutzt, wenn eine Entscheidung unter der Unterscheidung Wissen/Nichtwissen beobachtet wird. Der soziologische Risikobegriff ist damit immer an Entscheidungen und deren Folgenerwartungen verschiedener Akteure gebunden.
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann unterscheidet dabei zwischen „Risiko“ und „Gefahr“. Die populäre Unterscheidung Risiko und Sicherheit greife zu kurz, da jede Entscheidung Risiken enthält. Sicherheit sei als allgemeines Ziel zu verstehen, entscheidend ist aber, wie jemand einem Risiko selbst gegenüberstehe. Habe man selbst die möglichen negativen Folgen einer Entscheidung zu beeinflussen, schultere man ein Risiko, das meist auch selbst verantwortet werden muss. Ist man jedoch von Wirkungen aus der Umwelt (in dem Beispiel vom Wetter) betroffen, so wird dies nach Luhmann als „Gefahr“ kategorisiert.
Berühmt ist Luhmanns Beispiel des Regenschirmrisikos:[12]
Die Risikodefinition von den Kommunikationswissenschaftlern Silje
Kristiansen und Heinz Bonfadelli (Universität Zürich, Schweiz)
integriert weitere Risikokomponenten in die Risikodefinition. Dabei baut
deren Definition unter anderem auf den Definitionen von Aven & Renn
(2009),[13] Beck (2007),[14] Bonfadelli (2004),[15] Dahinden & Schanne (2009),[16] Niklas Luhmann (1991),[17] Ortwin Renn 2008,[18] auf. Dabei lautet die Definition: „Risiko ist die Entscheidung, einen Nutzen zu genießen und dabei einen zukünftigen Schaden mit einer mehr oder weniger gut bestimmbaren Eintrittswahrscheinlichkeit und einem ungewissen Ausmaß in Kauf zu nehmen“ (Kristiansen/Bonfadelli 2014: 299).[19]
Dabei weist die Autorin Kristiansen darauf hin, dass das Ausmass bei
gewissen Risiken doch einschätzbar ist; das Ausmaß ist ebenfalls mehr
oder weniger gut bestimmbar, wie die Eintrittswahrscheinlichkeit eines
Schadens auch. Für die massenmediale Risikoberichterstattung bedeutet
diese Definition, dass über alle Komponenten berichtet werden soll,
damit sich der Rezipient informiert eine Meinung bilden kann und
dementsprechend entscheiden kann, ob sie oder er das Risiko eingehen
will oder nicht.
Im angelsächsischen Sprachraum wurde schon früh die Bedeutung der Risikokommunikation erkannt. Hier gibt es eine Tradition der linguistischen (z.B. Benjamin Whorf) und kulturanthropologischen Forschung (z.B. Mary Douglas und Aaron Wildavsky), die auf die kulturelle Prägung der risikobezogenen Semantik verweist. Generell erfolgt die Bewertung von Risiken heute in interdisziplinären Diskursen, die durch unterschiedliche professionelle Codes und Semantiken geprägt sind, aber die in die von allen Akteuren mehr oder weniger geteilte Alltagssprache übersetzt werden müssen. Darin liegt ein erhebliches Risikopotenzial. [20]
Bei Risiken handelt es sich um Informationsunsicherheit über den Eintritt eines Sachverhaltes und die dadurch induzierte Möglichkeit der Beeinträchtigung von Zielen. Unterschieden werden
In seinem Hauptwerk The Dramatic Universe[22] behauptet Bennett, dass solche Situationen nicht auf die menschliche Wahrnehmung begrenzt seien, sondern dass Momente des Hazards ganz konkret auf physikalischer Ebene zur Grundbedingung des Universums gehören (was auch interessante Querverweise zu Erkenntnissen der modernen Quantenphysik eröffnet). Es gibt keinen perfekten Zustand, der von diesem Zusammenspiel von Unsicherheit und Wille (bzw. Naturgesetzen) frei wäre, da Hazard eine „Grundkonstante“ der Wirklichkeit darstellt.
Ein weiterer, auch religionswissenschaftlich interessanter Aspekt ergibt sich daraus, dass Bennett nicht nur Mensch und Natur als dieser Unsicherheit unterworfen ansieht, sondern auch jede mögliche Vorstellung eines „Schöpfers“. Aus seinem Postulat, auch Gott sei in seinem Wirken nicht vom „Naturgesetz“ des Hazard bzw. der Unsicherheit befreit, löst sich der systemimmanente Widerspruch von menschlicher Freiheit und einer „Allmächtigkeit Gottes“ auf. Basierend auf der Überzeugung, dass Gott (welcher religiöser Vorstellung auch immer) nicht allmächtig sein könne, misst Bennett der Mitverantwortung des Menschen an der Schöpfung einen besonderen Stellenwert bei.
Risikomanagement umfasst die Phasen Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikocontrolling. Analog dem Managementkreis werden die Phasen wiederholt durchlaufen und stellen somit einen Zyklus dar.[24]
Die Phase der Risikoidentifikation wird vielfach als die größte Herausforderung bezeichnet, da zunächst die Tatsache, dass überhaupt ein Risiko vorliegt, erkannt werden muss. Dieses erfordert entsprechende Informationssysteme (z. B. Kennzahlen oder entsprechende Organisationsstrukturen).[25] Die Risikobewertung versucht, das nun erkannte Risiko zu quantifizieren. Dieses geschieht in zwei Schritten. Zunächst werden die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß bei Eintritt des Schadens bestimmt (s.a. Risikomatrix). Durch Multiplikation dieser beiden Kennzahlen entsteht eine Art "Risikopotential". Die Herausforderung in dieser Phase ist die nachvollziehbare Überführung von qualitativen Risiken, wie z. B. eines Streiks oder eines Vulkanausbruchs, in ein quantitatives Zahlenwerk. Die Risikosteuerung beschäftigt sich nun mit der Frage, wie das einzelne Wirtschaftssubjekt mit dem Risiko umgeht. Dazu bestehen die Möglichkeiten des Selbsttragens des Schadens, der Schadensvermeidung, der Überwälzung auf andere oder der Risikobegrenzung. Ansätze zur Risikobegrenzung lassen sich in ursachenbezogene und wirkungsbezogene unterscheiden. Ursachenbezogene Strategien zielen ex ante darauf ab, die Höhe möglicher Verluste bzw. ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung positiv zu beeinflussen. Wirkungsbezogene Strategien zielen auf die Abfederung bzw. Abwälzung schlagend gewordener Risiken ab. Ursachenbezogene Strategien sind die Risikovermeidung und die Risikominderung. Wirkungsbezogene Strategien sind der Risikotransfer und die Risikovorsorge. Risikodiversifikation weist zu beiden Strategiearten Bezüge auf.
Im Einzelnen lassen sie sich wie folgt charakterisieren:[26]
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Inhaltsverzeichnis
Begriffliche Abgrenzung
Gefahr, Exposition und Risiko
Die Begriffe Gefahr und Risiko sind fachsprachlich exakt definiert.[2][3] Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Exaktheit häufig nicht beachtet und die Begriffe synonym verwendet.[3] Daraus entstehen möglicherweise Missverständnisse.[2]Eine Gefahr besteht, wenn eine Sachlage eine schädliche Wirkung haben kann. Gefahren sind also beispielsweise eine Unebenheit in der Straße, eine unbeaufsichtigte Maschine, ein Feuer, ein Terroranschlag.[3] Der zweite zu betrachtende Faktor ist die Exposition, also wie sehr eine betrachtete Person oder betrachteter Gegenstand der Gefahr ausgesetzt ist: Ein Terroranschlag in München ist für eine Person in Hamburg ungeachtet der Gefühlslage vergleichsweise ungefährlich.
Ein Risiko besteht nur dann, wenn eine Gefahr und die Exposition gemeinsam auftreten.[3] Das Risiko drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der eine betrachtete Person oder ein betrachteter Gegenstand auf eine Gefahr stößt. Ein Tiger kann als Gefahr betrachtet werden.[3] Solange der Tiger sich in seinem verschlossenen Käfig befindet, ist die Exposition aber nicht möglich und es besteht kein Risiko.[3] Trotzdem besteht die Gefahr weiter, denn diese ist nur an die Existenz des Tigers geknüpft.
Vertiefung
Risiko wird im Allgemeinen als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses und Schadensschwere als Konsequenz aus einem etwaigen Eintritt des Ereignis angesehen. Das Risiko wird in der Einheit der Zielgröße bewertet.[4]Auf Grund des begrenzten Wissens über Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß ist es von einer Reihe von Begriffen abzugrenzen.
Im Unterschied zum Begriff Risiko ist der Begriff Wagnis tendenziell mit einer ethischen Komponente verbunden und findet deshalb bevorzugt in den Geisteswissenschaften (Theologie, Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Sportwissenschaften etc.) Verwendung (Wagnis Freundschaft, Wagnis Ehe, Wagnis Sport).[5] [6][7]
Im juristischen Sprachgebrauch wird das Risiko von der Gefahr abgegrenzt. Hier beschreibt Gefahr eine Situation, in der bei ungehindertem, nicht beeinflussbaren Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem erwarteten Schaden führt. Die Gefahr stellt ein stärkeres Risiko dar.[8] Ferner wird das Risiko vom Restrisiko abgegrenzt, das zunächst als schwächeres Risiko bezeichnet werden kann.
Zur Unterscheidung der Begriffe Gefahr, Risiko und Restrisiko wurde auch die „Je-desto“ Formel entwickelt. Sie besagt, dass bei größerem drohenden Schadensumfang infolge von Synergieeffekten die Ansprüche an die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses geringer sind, um dennoch von einer Gefahr zu sprechen. Diese Abgrenzung wird jedoch schwierig, wenn es unmöglich erscheint, Aussagen über Schadenshöhe oder Eintrittswahrscheinlichkeit zu treffen.
In diesem Fall verfließen die Grenzen zwischen Gefahr und Risiko sowie Risiko und Restrisiko. Vorstellbar ist hier, dass das Schadenspotenzial eines benannten Restrisikos um ein Vielfaches höher sein kann als das einer klar definierten Gefahr. Beispiel: Bis zum 11. September 2001 konnte sich niemand vorstellen, dass Terroristen mit Flugzeugen das World-Trade-Center in New York zum Einstürzen bringen würden. Dieses Ereignis wurde bis dahin als sehr unwahrscheinlich und damit als Restrisiko betrachtet. Nach dem 11. September stellt ein terroristischer Angriff aus der Luft jedoch eine Gefahr dar.
In Gegensatz zu Ereignissen unter Ungewissheit und Unwissenheit ist das Eintreten eines Risikos kalkulierbar. Bei der Ungewissheit sind die möglichen Auswirkungen bekannt, man verfügt jedoch nicht über Informationen zur Eintrittswahrscheinlichkeit. Beim Unwissen sind auch die Auswirkungen der untersuchten Handlungsalternativen nicht vollständig bekannt. In beiden Fällen ist das Ereignis mehr als beim Risiko, unkalkulierbar. Es ist aber auch denkbar, dass weder die Schadenshöhen noch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses bekannt sind.
Wortherkunft
Laut Duden wurde im 16. Jahrhundert das italienische Fremdwort risico als kaufmännischer Terminus in unseren Sprachgebrauch aufgenommen. Damals verstand ihn der Kaufmann als gewisse Gefahr bzw. ein Wagnis.[9] Die Herkunft des italienischen Wortes risico ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Während Großwörterbücher des Deutschen (Duden, Wahrig) das Wort über das vulgärlateinische, nicht belegte *risicare*resecare („Gefahr laufen, wagen“) auf das altgriechische ῥίζα (rhiza „Wurzel, Klippe“) zurückführen, nennt das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache (2000) als etymologischen Hintergrund nur das postulierte vulgärlateinische *resecum („Felsklippe“), das als Verbalsubstantiv zu resecare („abschneiden“) den „vom Festland abgeschnittenen Felsturm, der zur Gefahr für Handelsschiffe wird“ bezeichnet. Auch das viel ältere Romanische Etymologische Wörterbuch (1935) sieht die Entwicklung des Wortes im griechischen ῥιζικόν (rhizikon „Klippe“) und der dazugehörigen Ableitung lat. resecare begründet. Kluge (1999) diskutiert dagegen eine vorromanische Form riscare, die als Ableitung vom lateinischen rixari („streiten, widerstreben“) die unkalkulierbaren Folgen eines Widerstands im Kampf bezeichnen würde. Eine weitere Herkunft liefert der Fremdwörter-Duden. Dort wird der Begriff vom arabischen (rizq „von Gottes Gnade oder Geschick abhängigen Lebensunterhalt“) abgeleitet.Risikobegriff in verschiedenen Fachdisziplinen
Mathematik
Das auf den Zufall spezialisierte Teilgebiet der Mathematik, die Stochastik, beschäftigt sich mit Risiken. Die Wahrscheinlichkeitstheorie beschreibt die mathematischen Grundlagen des Zufalls und damit von Risiken. Die mathematische Statistik, ein Teilgebiet der Stochastik, versucht durch die Analyse von Daten über dokumentierte Ereignisse Größen wie Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadenshöhe und Erwartungswerte zu quantifizieren. Die Risikotheorie beschäftigt sich mit Risiken, die sich aus komplexen Kombinationen von Vorgängen ergeben.Psychologie
In der Psychologie beschäftigt sich die Risikowahrnehmung mit der Frage, wie Risiken subjektiv empfunden werden. Die Fehlerforschung befasst sich mit der Erforschung von Denk-, Planungs- und Handlungsfehlern, die Risiken verursachen oder erhöhen können sowie mit Fragen der Risikoentstehung durch sicher beherrscht geglaubte Routine. Speziell mit dem Handeln unter Risiko beschäftigt sich die sozialpsychologische Theorie der Schutzmotivation (Protection Motivation Theory).Entscheidungstheorie
Die Entscheidungstheorie differenziert das Verhalten eines Entscheiders im Angesicht einer Risiko-Situation.- Risikoaversion oder Risikoscheu bezeichnet die Eigenschaft eines Entscheiders, bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert (= Eintrittswahrscheinlichkeit x Nutzenhöhe) die Alternative mit dem geringsten Risiko bezüglich des Ergebnisses - und damit auch dem geringstmöglichen Verlust - zu bevorzugen. Risikoscheue Entscheider bevorzugen also einen möglichst sicheren Gewinn, auch wenn dieser klein ausfällt.
- Risikoneutralität bedeutet, dass ein Entscheider bezüglich des Risikos indifferent ist, das heißt seine Entscheidung allein anhand des Erwartungswertes trifft und das dabei evtl. auftretende Risiko nicht mit in seine Entscheidung einbezieht.
- Risikoaffinität, Risikosympathie oder Risikofreude bezeichnet die Eigenschaft eines Entscheiders, bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert die Alternative mit dem höchsten Risiko bezüglich des Ergebnisses – und damit auch dem höchstmöglichen Gewinn – zu bevorzugen. Risikofreudige Entscheider bevorzugen also einen möglichst hohen Gewinn, auch wenn dieser unsicher ist.
Ingenieur- und Umweltwissenschaften
Umweltwissenschaftler, Planer und Sicherheitsingenieure bezeichnen mit Risiko das Produkt von Eintrittshäufigkeit bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit und Ereignisschwere bzw. Schadensausmaß. Dies ist auch die vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU, siehe Jahresgutachten, 1998) verwendete Definition. Bei der empirischen Anwendung des Konzepts treten z. T. Prognose- und Quantifizierungsprobleme auf. Beispiele zur Lösung dieser Probleme finden sich vor allem in den methodischen Vorgehensweisen zur Abschätzung von Hochwasserrisiken sowie der Hochwasserschadenserwartungswerte.Die Eintrittshäufigkeit bezeichnet dabei die Häufigkeit, mit der ein Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls eintritt. So bedeutet z. B. 0,01 Ereignisse pro Jahr, dass im Mittel ein Schadensereignis einmal in 100 Jahren beobachtet worden ist. Solche Einschätzungen sind abhängig von den verfügbaren statistischen Daten und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie sind nur dann halbwegs verlässlich, wenn eine genügend große Zahl von Beobachtungen vorliegt (Gesetz der großen Zahlen). Der Schluss, ein Ereignis mit der beobachteten Eintrittshäufigkeit würde auch in Zukunft "nur alle 100 Jahre" auftreten, ist bei Zufallsereignissen ein Fehlschluss.
Die Einheit des Schadensausmaßes hängt vom jeweiligen Sachgebiet ab. Es können Werte sein, die sich in Geldgrößen ausdrücken lassen (€), es kann sich aber auch um befürchtete Tote, potenziell schwer Betroffene oder den Totalverlust eines Flugzeuges handeln. Selbstverständlich lässt sich nicht jedes Schadensausmaß in Geld ausdrücken, letztendlich ist mangels einheitlicher Definitionen für "Schaden" die Bewertung oft subjektiv.
Im Arbeitsschutz wird bei der Risikobeurteilung auf Grenzwerte (z.B. aus Unfallverhütungsvorschriften) und standardisierte Verfahren (z.B. aus Normen), wie sie z.B. bei der Beurteilung von Sicherheitssystemen (z.B. Nothalt als Hard- oder Software) verwendet werden (Risikograph), zurückgegriffen und wo dies nicht möglich ist zur Objektivierung (Risikoabschätzung) die Risikomatrix (nach Nohl) verwendet.[10]
Im Bereich Katastrophenschutz, genauer des Feuerwehrwesens ist die Brandschutzbedarfsplanung mit den Themen Schutzziel und Hilfsfrist relevant. Dabei werden neben den obigen Faktoren die Maßnahmen zur Risikobewältigung (Mannschaftsstärke, Ausrüstung) und Risikominderung (vorzeitige Evaluierung der Risiken, politischer Konsens über Schutzziel bzw behördliche Vorgabe des Zielerreichungsgrades) betrachtet.
Gesundheitswesen
Eine Auswertung von zahlreichen Studien ergab, dass pro Jahr im Krankenhausbereich mit fünf bis zehn Prozent unerwünschter Ereignisse, zwei bis vier Prozent Schäden, ein Prozent Behandlungsfehler und 0,1 Prozent Todesfälle, die auf Fehler zurückgehen, zu rechnen ist. Bei jährlich 17 Millionen Krankenhauspatienten entspricht dies 850.000 bis 1,7 Millionen unerwünschten Ereignissen, 340.000 Schäden (vermeidbare unerwünschte Ereignisse), 170.000 Behandlungsfehler (mangelnde Sorgfalt) und 17.000 auf vermeidbare unerwünschte Ereignisse zurückzuführende Todesfälle. Der gesamte ambulante Bereich ist darin nicht enthalten.[11]Soziologie
Seit den 1980er Jahren ist die Risikogesellschaft in den Sozialwissenschaften stark diskutiert worden. Ulrich Beck, dessen gleichnamiges Buch den Begriff als zukunftsweisend für eine „andere Moderne“ beschreibt, wurde sehr populär. Seine Kernthese war, dass die moderne Gesellschaft sich durch selbstproduzierte Risiken charakterisiere, und nicht über Fortschritt, wie in der Industriegesellschaft.In der systemtheoretischen Soziologie wird der Begriff des „Risikos“ benutzt, wenn eine Entscheidung unter der Unterscheidung Wissen/Nichtwissen beobachtet wird. Der soziologische Risikobegriff ist damit immer an Entscheidungen und deren Folgenerwartungen verschiedener Akteure gebunden.
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann unterscheidet dabei zwischen „Risiko“ und „Gefahr“. Die populäre Unterscheidung Risiko und Sicherheit greife zu kurz, da jede Entscheidung Risiken enthält. Sicherheit sei als allgemeines Ziel zu verstehen, entscheidend ist aber, wie jemand einem Risiko selbst gegenüberstehe. Habe man selbst die möglichen negativen Folgen einer Entscheidung zu beeinflussen, schultere man ein Risiko, das meist auch selbst verantwortet werden muss. Ist man jedoch von Wirkungen aus der Umwelt (in dem Beispiel vom Wetter) betroffen, so wird dies nach Luhmann als „Gefahr“ kategorisiert.
Berühmt ist Luhmanns Beispiel des Regenschirmrisikos:[12]
„Wenn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben:
Die Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt.
Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.“
Im angelsächsischen Sprachraum wurde schon früh die Bedeutung der Risikokommunikation erkannt. Hier gibt es eine Tradition der linguistischen (z.B. Benjamin Whorf) und kulturanthropologischen Forschung (z.B. Mary Douglas und Aaron Wildavsky), die auf die kulturelle Prägung der risikobezogenen Semantik verweist. Generell erfolgt die Bewertung von Risiken heute in interdisziplinären Diskursen, die durch unterschiedliche professionelle Codes und Semantiken geprägt sind, aber die in die von allen Akteuren mehr oder weniger geteilte Alltagssprache übersetzt werden müssen. Darin liegt ein erhebliches Risikopotenzial. [20]
Wirtschaftswissenschaft
Hauptartikel: EntscheidungstheorieBei Risiken handelt es sich um Informationsunsicherheit über den Eintritt eines Sachverhaltes und die dadurch induzierte Möglichkeit der Beeinträchtigung von Zielen. Unterschieden werden
- Risiken vor dem Entscheidungszeitpunkt ()
- Entscheidungsrisiko: Man trifft in eine Entscheidung, wobei Abweichungen vom Erwartungswert des Ergebnisses möglich sind.
- Ergebnisrisiko: Risiko im Sinne einer Ergebnisunsicherheit als Folge einer risikoverbundenen Entscheidungssituation
- Opportunitätsrisiko: Risiko, dass eine andere Entscheidung günstiger gewesen wäre.
- Risiken nach dem Entscheidungszeitpunkt
- Handlungsrisiko
- Plan- und Abweichungsrisiko
- Bindungsrisiko
- Risiken, die zu allen Zeiten existieren
- Existenzrisiko
Philosophie
Begriffsbestimmung und Ethik des Risikos
In der Philosophie werden die verschiedenen Verwendungsweisen des Begriffs "Risiko" analysiert und ethisch gerechtfertigte Umgangsweisen mit dem Risiko gesucht:[21] So bezeichnet das Risiko manchmal eine qualitativ bestimmte Möglichkeit, manchmal eine in der Regel quantitativ bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Möglichkeit real wird, und manchmal eine in der Regel quantitativ bestimmte, mit der Wahrscheinlichkeit gewichtete Bewertung einer solchen Möglichkeit. In der Ethik des Risikos werden zweckrationale von moralischen Aspekten unterschieden. Utilitaristische und deontologische Moralphilosophien kommen teils zu unterschiedlichen Ergebnissen, da letztere die Verrechnung von bestimmten Personen entstehenden Schäden mit anderen Personen entstehenden Gewinnen nicht beliebig erlauben. Dass die Schäden bzw. Gewinne nur wahrscheinlich eintreten, ändert nichts an dieser grundlegenden Differenz.„Hazard“ als Bedingung für Freiheit
Dem englischen Mathematiker und Philosophen John G. Bennett (1897–1974) zufolge macht erst die Möglichkeit des Versagens die Dinge „wirklich“. So ist echte Freiheit nach Bennett nur in nicht-determinierten Lebenssituationen denkbar, deren möglicher Ausgang also tatsächlich offensteht. Diese Fälle, deren besondere Eigenart er mit dem Vorhandensein von "Hazard" (englisch für Gefährdung, Gefahr, Gefahrenmoment, Risiko, Wagnis, Zufall) beschreibt, ermöglichen aufgrund dieses nicht-determinierten Moments dem Individuum eine tatsächliche freie Willensentscheidung – beinhalten also eine wirkliche Unsicherheit.In seinem Hauptwerk The Dramatic Universe[22] behauptet Bennett, dass solche Situationen nicht auf die menschliche Wahrnehmung begrenzt seien, sondern dass Momente des Hazards ganz konkret auf physikalischer Ebene zur Grundbedingung des Universums gehören (was auch interessante Querverweise zu Erkenntnissen der modernen Quantenphysik eröffnet). Es gibt keinen perfekten Zustand, der von diesem Zusammenspiel von Unsicherheit und Wille (bzw. Naturgesetzen) frei wäre, da Hazard eine „Grundkonstante“ der Wirklichkeit darstellt.
Ein weiterer, auch religionswissenschaftlich interessanter Aspekt ergibt sich daraus, dass Bennett nicht nur Mensch und Natur als dieser Unsicherheit unterworfen ansieht, sondern auch jede mögliche Vorstellung eines „Schöpfers“. Aus seinem Postulat, auch Gott sei in seinem Wirken nicht vom „Naturgesetz“ des Hazard bzw. der Unsicherheit befreit, löst sich der systemimmanente Widerspruch von menschlicher Freiheit und einer „Allmächtigkeit Gottes“ auf. Basierend auf der Überzeugung, dass Gott (welcher religiöser Vorstellung auch immer) nicht allmächtig sein könne, misst Bennett der Mitverantwortung des Menschen an der Schöpfung einen besonderen Stellenwert bei.
Geographie
→ Hauptartikel: Geographische Risikoforschung
Die geographische Risikoforschung analysiert Effekte von antizipierten Gefährdungen im Schnittfeld von Gesellschaft und Umwelt. Sie ist damit dem interdisziplinären Bereich der Geographie zuzurechnen, der Mensch-Umwelt-Beziehungen zum Gegenstand hat. Im Begriff des Risikos findet der Forschungsansatz Ausdruck, dass Gefährdungen nicht isoliert von gesellschaftlichen Prozessen betrachtet werden können. Er steht somit für den Versuch einer integrierten Betrachtung von externer Gefährdung („Hazard“) einerseits und gesellschaftlicher Verwundbarkeit („Vulnerabilität“) bzw. Widerstandsfähigkeit („Resilienz“) andererseits, die darüber hinaus die gesellschaftlich bedingte Ermöglichung und Herstellung von Gefährdung berücksichtigt.
Die Forschung verfolgt zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Bei einem Teil der geographischen Risikoforschung geht es darum, objektive Risikofaktoren in der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt zu bestimmen. Ein anderer Teil untersucht, in Anlehnung an die konstruktivistischen Sozialwissenschaften, welche gesellschaftlichen Effekte mit der Zuschreibung „Risiko“ verbunden sind. Spezifische Merkmale der geographischen Risikoforschung ist das Augenmerk für die Verräumlichung von Risiken und der hohe interdisziplinäre und integrale Anspruch als Vermittler zwischen verschiedenen Risikokonzeptionen.
Unter „Hazard“ wird gemäß der Hazardforschung eine Interaktion zwischen dem System „Umwelt“ und dem System „Mensch/Gesellschaft“ verstanden, die sich zum subjektiv wahrgenommenen Nachteil des gesellschaftlichen Systems auswirkt und bei der für beide Systeme ein Einfluss durch den Menschen möglich ist.[3] Der Begriff umfasst sowohl den Zustand einer Gefährdung als auch die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schaden verursachendes Ereignis eintritt.[4] Er ist damit bereits wesentlich umfassender als etwa der der Katastrophe, teilt mit diesem aber die Unbestimmtheit nach dem genauen Zusammenhang zwischen den beiden Systemen. Erst die Vulnerabilität einer Gesellschaft gegenüber einem Hazard bestimmt die Wahrscheinlichkeit und die Höhe eines möglichen Schadens, und macht aus dem Hazard ein Risiko.[5]
Die in diesem schematischen Modell verwendete Auffassung von Vulnerabilität als passives Ausgesetztsein („Exposure-Modell“) gegenüber einer Gefahr wird etwa im „Pressure and Release-Modell“ von Piers Blaikie et al.[6] und im „Hazards of Place-Modell“ von Susan L. Cutter[7] erweitert, indem Vulnerabilität jeweils als mehrstufige Entwicklung statt als Zustand aufgefasst wird. In diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutsam ist der „Livelihood-Ansatz“, in dessen Mittelpunkt die Sicherung der Existenzgrundlagen einer Gesellschaft (und so deren Fähigkeit zur Resilienz gegenüber Gefährdungen) steht.[8]
In der Forschungspraxis befasst sich die Hazard- bzw. Risikoforschung vor allem mit dem Umgang mit abiotischen Naturkatastrophen wie Erdbeben, Bergstürzen und Flutkatastrophen. Plötzlich auftretende Epidemien, technisch bedingte Katastrophen sowie die Folgen gesellschaftlicher Konflikte (Kriege, Terrorismus) rücken jedoch zunehmend ins Blickfeld des Fachs. Keith Smith fasst diese Gefährdungen unter dem Begriff environmental hazard zusammen.[9]
Die dem zugrunde liegende Ansicht, die bei Naturkatastrophen auftretenden Schäden seien das Resultat fehlerhafter Anpassung des Menschen an die Natur, wurde jedoch spätestens in den 1980er Jahren als gesellschaftspolitisch naiv und damit unzureichend kritisiert.[14] Die politökologische Perspektive, vertreten von u.a. Piers Blaikie, Harold Brookfield und Michael J. Watts, legte daher den Forschungsschwerpunkt auf die weiteren politischen und ökonomischen Umstände, die etwa zur Entwicklung von landwirtschaftlichen Monokulturen und in der Folge von Hungersnöten während Dürrezeiten beitragen. Von einigen Ausnahmen wie den Werken von Susan L. Cutter abgesehen, blieben jedoch Fragen nach Umweltgerechtigkeit und Umweltrassismus, die sich aus der räumlichen Segregation von Bevölkerungsgruppen ergeben, weitgehend unbeachtet.[15]
Angesichts des zu dieser Zeit allgemein wachsenden Bewusstseins für Naturkatastrophen erklärten die Vereinten Nationen die 1990er-Jahre zur Dekade zur Reduzierung von Naturkatastrophen. In den folgenden Jahren erschienen, neben einer Neuauflage von The environment as hazard, zahlreiche weitere wichtige Publikationen, in denen versucht wurde, der komplexen geographischen Verflechtung von Mensch und Umwelt verstärkt Rechnung zu tragen.[16] Zudem rückten Städte stärker in den Fokus der geographischen Risikoforschung.[17]
Die geographische Risikoforschung analysiert Effekte von
antizipierten Gefährdungen im Schnittfeld von Gesellschaft und Umwelt.
Die Forschung verfolgt zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Bei einem
Teil der geographischen Risikoforschung geht es darum, objektive
Risikofaktoren in der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt zu bestimmen.
Ein anderer Teil untersucht, in Anlehnung an die konstruktivistischen
Sozialwissenschaften, welche gesellschaftlichen Effekte mit der
Zuschreibung „Risiko“ verbunden sind. Spezifische Merkmale der
geographischen Risikoforschung ist das Augenmerk für die Verräumlichung
von Risiken und der hohe interdisziplinäre und integrale Anspruch als
Vermittler zwischen verschiedenen Risikokonzeptionen.[23] Die geographische Risikoforschung analysiert Effekte von antizipierten Gefährdungen im Schnittfeld von Gesellschaft und Umwelt. Sie ist damit dem interdisziplinären Bereich der Geographie zuzurechnen, der Mensch-Umwelt-Beziehungen zum Gegenstand hat. Im Begriff des Risikos findet der Forschungsansatz Ausdruck, dass Gefährdungen nicht isoliert von gesellschaftlichen Prozessen betrachtet werden können. Er steht somit für den Versuch einer integrierten Betrachtung von externer Gefährdung („Hazard“) einerseits und gesellschaftlicher Verwundbarkeit („Vulnerabilität“) bzw. Widerstandsfähigkeit („Resilienz“) andererseits, die darüber hinaus die gesellschaftlich bedingte Ermöglichung und Herstellung von Gefährdung berücksichtigt.
Die Forschung verfolgt zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Bei einem Teil der geographischen Risikoforschung geht es darum, objektive Risikofaktoren in der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt zu bestimmen. Ein anderer Teil untersucht, in Anlehnung an die konstruktivistischen Sozialwissenschaften, welche gesellschaftlichen Effekte mit der Zuschreibung „Risiko“ verbunden sind. Spezifische Merkmale der geographischen Risikoforschung ist das Augenmerk für die Verräumlichung von Risiken und der hohe interdisziplinäre und integrale Anspruch als Vermittler zwischen verschiedenen Risikokonzeptionen.
Forschungsgegenstand
Der Begriff „Risiko“ als zentraler Gegenstand einer Unterdisziplin der Geographie fand in englischsprachigen Veröffentlichungen erst etwa seit Anfang der 1990er-Jahre zunehmend Verwendung, im deutschen Sprachraum noch später.[1] Damit trat „Risiko“ in Konkurrenz zum bereits Jahrzehnte zuvor aufkommenden Forschungsgegenstand „Hazard“. Diese Verschiebung reflektiert die von Ulrich Beck ausgelöste, auch öffentlich geführte Diskussion um die „Risikogesellschaft“.[2]Unter „Hazard“ wird gemäß der Hazardforschung eine Interaktion zwischen dem System „Umwelt“ und dem System „Mensch/Gesellschaft“ verstanden, die sich zum subjektiv wahrgenommenen Nachteil des gesellschaftlichen Systems auswirkt und bei der für beide Systeme ein Einfluss durch den Menschen möglich ist.[3] Der Begriff umfasst sowohl den Zustand einer Gefährdung als auch die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schaden verursachendes Ereignis eintritt.[4] Er ist damit bereits wesentlich umfassender als etwa der der Katastrophe, teilt mit diesem aber die Unbestimmtheit nach dem genauen Zusammenhang zwischen den beiden Systemen. Erst die Vulnerabilität einer Gesellschaft gegenüber einem Hazard bestimmt die Wahrscheinlichkeit und die Höhe eines möglichen Schadens, und macht aus dem Hazard ein Risiko.[5]
Die in diesem schematischen Modell verwendete Auffassung von Vulnerabilität als passives Ausgesetztsein („Exposure-Modell“) gegenüber einer Gefahr wird etwa im „Pressure and Release-Modell“ von Piers Blaikie et al.[6] und im „Hazards of Place-Modell“ von Susan L. Cutter[7] erweitert, indem Vulnerabilität jeweils als mehrstufige Entwicklung statt als Zustand aufgefasst wird. In diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutsam ist der „Livelihood-Ansatz“, in dessen Mittelpunkt die Sicherung der Existenzgrundlagen einer Gesellschaft (und so deren Fähigkeit zur Resilienz gegenüber Gefährdungen) steht.[8]
In der Forschungspraxis befasst sich die Hazard- bzw. Risikoforschung vor allem mit dem Umgang mit abiotischen Naturkatastrophen wie Erdbeben, Bergstürzen und Flutkatastrophen. Plötzlich auftretende Epidemien, technisch bedingte Katastrophen sowie die Folgen gesellschaftlicher Konflikte (Kriege, Terrorismus) rücken jedoch zunehmend ins Blickfeld des Fachs. Keith Smith fasst diese Gefährdungen unter dem Begriff environmental hazard zusammen.[9]
Disziplingeschichte
International
Als Begründer der geographischen Hazardforschung gilt Gilbert F. White.[10] In seiner 1945 veröffentlichten Dissertation Human Adjustment to Floods[11] stellte er fest, dass nach der Errichtung von Dämmen am Mississippi die Schadenssummen durch Fluten immer weiter anstiegen, da gleichzeitig vormals als Überflutungsgebiete ausgewiesene Gebiete besiedelt worden waren. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Hazardforschung zur wohl bedeutendsten Disziplin an der Schnittstelle von physischer Geographie und Humangeographie, die sich in dieser Zeit in ihren Forschungsbereichen ansonsten voneinander fort bewegten. Ihren humanökologisch geprägten Ansatz[12] legten Ian Burton, Robert W. Kates und White schließlich 1978 in The environment as hazard[13] systematisch dar.Die dem zugrunde liegende Ansicht, die bei Naturkatastrophen auftretenden Schäden seien das Resultat fehlerhafter Anpassung des Menschen an die Natur, wurde jedoch spätestens in den 1980er Jahren als gesellschaftspolitisch naiv und damit unzureichend kritisiert.[14] Die politökologische Perspektive, vertreten von u.a. Piers Blaikie, Harold Brookfield und Michael J. Watts, legte daher den Forschungsschwerpunkt auf die weiteren politischen und ökonomischen Umstände, die etwa zur Entwicklung von landwirtschaftlichen Monokulturen und in der Folge von Hungersnöten während Dürrezeiten beitragen. Von einigen Ausnahmen wie den Werken von Susan L. Cutter abgesehen, blieben jedoch Fragen nach Umweltgerechtigkeit und Umweltrassismus, die sich aus der räumlichen Segregation von Bevölkerungsgruppen ergeben, weitgehend unbeachtet.[15]
Angesichts des zu dieser Zeit allgemein wachsenden Bewusstseins für Naturkatastrophen erklärten die Vereinten Nationen die 1990er-Jahre zur Dekade zur Reduzierung von Naturkatastrophen. In den folgenden Jahren erschienen, neben einer Neuauflage von The environment as hazard, zahlreiche weitere wichtige Publikationen, in denen versucht wurde, der komplexen geographischen Verflechtung von Mensch und Umwelt verstärkt Rechnung zu tragen.[16] Zudem rückten Städte stärker in den Fokus der geographischen Risikoforschung.[17]
Deutschsprachiger Raum
Da im deutschen Sprachraum größere Naturkatastrophen selten sind, wurde der Hazard- bzw. Risikoforschung vergleichsweise geringes Forschungsinteresse gewidmet. In der Humangeographie bildeten die Werke von Robert Geipel[18] und einigen anderen Vertretern der humanökologisch ausgerichteten Münchner Schule der Sozialgeographie lange eine Ausnahme.[19] Hans-Georg Bohle, der auch international zu den Hauptbegründern des Vulnerabilitätsansatzes zählte, brachte Perspektiven der geographischen Entwicklungsforschung in die deutschsprachige Risikoforschung ein.Forschungsansätze
Objektivistischer Ansatz
Der naturwissenschaftlich-objektivistische Ansatz wird vor allem in der physischen Geographie bei der Auseinandersetzung mit Risiken angewandt. Es wird dabei davon ausgegangen, dass objektive Sachverhalte der Natur berechenbar sind und somit technisch kontrollierbar werden können. Der Mensch wird aus dieser Sichtweise nur so weit berücksichtigt, als dass der an ihm geschehene Effekt als Schaden betrachtet wird. Dieser theoretischen Grundhaltung liegen auch verwandte Risikoforschungsdisziplinen wie die ingenieurswissenschaftlich und die wirtschaftswissenschaftliche Risikoforschung v.a. der Versicherungswirtschaft zu Grunde. Aus geographischer Sichtweise ist vor allem die Möglichkeit der geographischen Verortung von Risiken innerhalb dieses Ansatzes von Bedeutung.Konstruktivistischer Ansatz
Der sozialwissenschaftlich-konstruktivistische Ansatz wird insbesondere in der Humangeographie für die Risikoforschung angewendet. Dabei wird das Risiko als von Menschen konstruiertes Phänomen erforscht. Wichtigste Mechanismen der Risikokonstruktion sind das Handeln, Bewerten und Wahrnehmen der Akteure. Somit geht die Perspektive davon aus, dass der Mensch eher Risiken eingeht als dass er ihnen ausgesetzt ist. Daraus ergibt sich, dass für das Bestehen eines Risikos allein der Mensch verantwortlich ist. Das Interesse dieses Ansatzes gilt also hauptsächlichen den Akteuren der Risikokonstruktion.Integrierte Ansätze
Trotz der beiden gegensätzlichen Ansätze wird innerhalb der geographischen Risikoforschung auch nach integrativen Forschungsansätzen gesucht. Dies entsteht vor allem aus der Überzeugung, dass die anderen beiden epistemologischen Grundpositionen komplementär sind und nur durch deren Integration eine holistische Umsetzung der Forschungskenntnisse möglich ist. Das gelingt etwa dadurch, dass Risiken zwar als sozial konstruiert gelten, Gefahren aber der Natur zugeschrieben werden.Methoden und Anwendung
Die fachspezifischste Methode der geographischen Risikoforschung ist die Kartierung von Risiken. Es wird unterschieden zwischen Gefahren-, Risiko- und Vulnerabilitätskarten. Anwendungsbeispiele für diese Methode sind das Alpine Risikomanagement und die Raumplanung. Hierbei werden nicht nur Risikofaktoren berücksichtigt sondern auch anthropogene Faktoren wie die Anfälligkeit der gewählten Flächennutzung.Probleme der geographischen Risikoforschung
Ein Problem ist, dass sich die beiden unterschiedlichen Perspektiven der Risikoforschung häufig nicht vereinen lassen und somit ein Mangel an integrierten Perspektiven besteht.[20] Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass neue Erkenntnisse zu einer veränderten Wahrnehmung von Risiken beitragen und somit zu einer gesellschaftlichen Selbstverstärkung des Risikodenkens führen.Siehe auch
Risikomanagement
Unter Risikomanagement versteht man den planvollen Umgang mit Risiken.Risikomanagement umfasst die Phasen Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikocontrolling. Analog dem Managementkreis werden die Phasen wiederholt durchlaufen und stellen somit einen Zyklus dar.[24]
Die Phase der Risikoidentifikation wird vielfach als die größte Herausforderung bezeichnet, da zunächst die Tatsache, dass überhaupt ein Risiko vorliegt, erkannt werden muss. Dieses erfordert entsprechende Informationssysteme (z. B. Kennzahlen oder entsprechende Organisationsstrukturen).[25] Die Risikobewertung versucht, das nun erkannte Risiko zu quantifizieren. Dieses geschieht in zwei Schritten. Zunächst werden die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß bei Eintritt des Schadens bestimmt (s.a. Risikomatrix). Durch Multiplikation dieser beiden Kennzahlen entsteht eine Art "Risikopotential". Die Herausforderung in dieser Phase ist die nachvollziehbare Überführung von qualitativen Risiken, wie z. B. eines Streiks oder eines Vulkanausbruchs, in ein quantitatives Zahlenwerk. Die Risikosteuerung beschäftigt sich nun mit der Frage, wie das einzelne Wirtschaftssubjekt mit dem Risiko umgeht. Dazu bestehen die Möglichkeiten des Selbsttragens des Schadens, der Schadensvermeidung, der Überwälzung auf andere oder der Risikobegrenzung. Ansätze zur Risikobegrenzung lassen sich in ursachenbezogene und wirkungsbezogene unterscheiden. Ursachenbezogene Strategien zielen ex ante darauf ab, die Höhe möglicher Verluste bzw. ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung positiv zu beeinflussen. Wirkungsbezogene Strategien zielen auf die Abfederung bzw. Abwälzung schlagend gewordener Risiken ab. Ursachenbezogene Strategien sind die Risikovermeidung und die Risikominderung. Wirkungsbezogene Strategien sind der Risikotransfer und die Risikovorsorge. Risikodiversifikation weist zu beiden Strategiearten Bezüge auf.
Im Einzelnen lassen sie sich wie folgt charakterisieren:[26]
- Risikovermeidung ist mit dem Verzicht auf ein Geschäft oder eine Transaktion gleichzusetzen.
- Unter Risikominderungsstrategien lassen sich zum einen Maßnahmen der Organisationsstruktur sowie des technischen und personellen Einsatzes bei Geschäftsprozessen fassen.
- Durch Risikodiversifikation wird ex ante eine günstigere Wahrscheinlichkeitsverteilung und ein geringeres Ausmaß an Verlusten angestrebt, gleichzeitig mildert die Diversifikation auch schlagend gewordene Risiken ex post ab.
- Der Risikotransfer bezeichnet die Übertragung des Risikos auf einen anderen Akteur, z.B. eine Versicherung oder Kapitalmarktteilnehmer beim Einsatz von Derivaten oder die Begebung syndizierter Kredite in Zusammenarbeit mit anderen Kapitalgebern.
- Risikovorsorgestrategien betreffen das nach Einsatz der vorgenannten Strategien verbleibende Kreditrisiko, das durch Standardrisikokosten (z. B. in Form von Rückstellungen) oder Eigenkapitalunterlegung abgedeckt wird.
Siehe auch
- Chance, Chancenmanagement, Entscheidung unter Unsicherheit, Gefahr, Internationaler Risikorat,
- Katastrophe, Katastrophensoziologie, Klimarisiko, Risikogesellschaft, Risikokompensation
- Risikotyp, Risk-shift, Riskware, Rückversicherung, SWOT-Analyse,
- Wagnis (Begriff), Wagnis (Pädagogik), Wagnis (Psychologie), Wagnis (Sport), Wagniserziehung, Wagniskosten
Literatur
Bücher
- Gerd Gigerenzer: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. C. Bertelsmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-10103-2.
- Ortwin Renn, Pia-Johanna Schweizer, Marion Dreyer u.a.: Risiko – Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit, oekom Verlag, München 2007, ISBN 978-3865810670.
- Igmade (Stephan Trüby u.a., Hrsg.): "5 Codes: Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors". Basel. Boston, Berlin 2006, ISBN 3-7643-7597-3.
- John G. Bennett: Risiko und Freiheit. Hazard – Das Wagnis der Verwirklichung, Zürich 2005, ISBN 3-905272-70-9.
- Dirk Proske: Katalog der Risiken – Risiken und ihre Darstellung. Dresden 2004, ISBN 3-00-014396-3
- Jürgen Raithel: Jugendliches Risikoverhalten: Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011, ISBN 3531183206.
- Siegbert A. Warwitz: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten. Schneider-Verlag, Baltmannsweiler 2001. ISBN 3-89676-358-X.
- Peter L. Bernstein: Wider die Götter – Die Geschichte von Risiko und Risikomanagement von der Antike bis heute. Gerling Akademie Verlag, München 1997, 475 S.
- Gerhard Banse (Hrsg.): Risikoforschung zwischen Disziplinarität und Interdisziplinarität: Von der Illusion der Sicherheit zum Umgang mit Unsicherheit, Edition Sigma, Berlin 1996, ISBN 978-3894044268.
- Mathias Schüz (Hrsg.): Risiko und Wagnis. Die Herausforderung der industriellen Welt. Bd. 1 und 2, Pfullingen 1990, 753 S.
- Hans-Jürgen Weißbach, Michael Florian, Eva-Maria Illigen u.a.: Technikrisiken als Kulturdefizite. Berlin 1994, ISBN 3-89404-375-X.
- Mary Douglas, Aaron B. Wildavsky: Risk and Culture: An essay on the selection of technical and environmental dangers. Berkeley: University of California Press 1982.
Aufsätze
- Niels Gottschalk-Mazouz (2011): Risiko, in: M. Düwell, C. Hübenthal, M. Werner (Hg.): Handbuch Ethik. 3. Aufl. Stuttgart: Metzler Verlag, S. 502-508 (PDF)
- Walter Krämer: Hysterie als Standortnachteil, oder: Deutschland, eine Republik der Panikmacher? Vortrag über Risikowahrnehmung auf der Jahrestagung Kerntechnik 2005, atw – Internationale Zeitschrift für Kernenergie, L/3 – Oktober 2005, S. 570 - 575, ISSN 1431-5254
- Ortwin Renn: Grundsätzliche Möglichkeiten zur Risikoabschätzung und Risikobewertung. Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9), S. 383 – 386 (2005), ISSN 0949-8036
- Siegbert A. Warwitz: Brauchen Kinder Risiken und Wagnisse ? In: Grundschule 11 (2002)54 ff
Weblinks
Wiktionary: Risiko – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Risiko – Zitate
- Bundesinstitut für Risikobewertung
- Sven Ove Hansson: Eintrag. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Informationsdienst www.risikomanagement.info des Kieler Instituts für Krisenforschung, Spin-Off der Universität Kiel (mit zahlreichen Fallstudien, Fachbeiträgen etc.)
- RiskNET Umfangreiches RisikomanagementWeb-Portal
- Society for Risk Analysis (englisch)
- What is Financial Risk? (english)
***
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Der Begriff Risiko[1] wird in verschiedenen
wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich definiert. Allen Disziplinen
gemeinsam ist jedoch die Definition des Risikos als die Beschreibung eines
Ereignisses mit der Möglichkeit negativer Auswirkungen. Andere Definitionen
sehen bei risikobehafteten Handlungen auch die Möglichkeit einer positiven
Auswirkung, die meistens als Chance bezeichnet wird. Ursächlich ist das Risiko
mit einem Wagnis verbunden.
Das Risiko wird allgemein als Produkt aus
Eintrittswahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses und Schadensschwere
als Konsequenz aus dem Ereignis angesehen und ist in der Einheit der Zielgröße
zu bewerten.[2] Im Gegensatz zum Risikobegriff zeigt sich der Begriff Wagnis
tendenziell mit einer ethischen Komponente verbunden und findet als solcher
bevorzugt in den Geisteswissenschaften (Theologie, Philosophie, Psychologie,
Pädagogik, Sportwissenschaften etc.) Verwendung (Wagnis Freundschaft, Wagnis
Ehe, Wagnis Sport).[3] [4][5] In der Wagniserziehung erhält der
verantwortungsvolle Umgang mit Risiken eine menschenbildende Funktion.[6][7]
Begriffliche Abgrenzung
Das Risiko ist auf Grund des begrenzten Wissens
über Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß von einer Reihe von
Begriffen abzugrenzen.
Im juristischen Sprachgebrauch wird das Risiko
von der Gefahr abgegrenzt. Hier beschreibt Gefahr eine Situation, in der bei
ungehindertem, nicht beeinflussbaren Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein
Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem erwarteten Schaden
führt. Die Gefahr stellt ein stärkeres Risiko dar.[8] Ferner wird das Risiko
vom Restrisiko abgegrenzt, das zunächst als schwächeres Risiko bezeichnet
werden kann.
Zur Unterscheidung der Begriffe Gefahr, Risiko
und Restrisiko wurde auch die „Je-desto“ Formel entwickelt. Sie besagt, dass
bei größerem drohenden Schadensumfang infolge von Synergieeffekten die
Ansprüche an die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses geringer sind, um
dennoch von einer Gefahr zu sprechen. Diese Abgrenzung wird jedoch schwierig,
wenn es unmöglich erscheint, Aussagen über Schadenshöhe oder
Eintrittswahrscheinlichkeit zu treffen. In diesem Fall verfließen die Grenzen
zwischen Gefahr und Risiko sowie Risiko und Restrisiko. Vorstellbar ist hier,
dass das Schadenspotenzial eines benannten Restrisikos um ein Vielfaches höher
sein kann als das einer klar definierten Gefahr. Beispiel: Bis zum 11.
September 2001 konnte sich niemand vorstellen, dass Terroristen mit Flugzeugen
das World-Trade-Center in New York zum Einstürzen bringen würden. Dieses
Ereignis wurde bis dahin als sehr unwahrscheinlich und damit als Restrisiko
betrachtet. Nach dem 11. September stellt ein terroristischer Angriff aus der
Luft jedoch eine Gefahr dar.
In Gegensatz zu Ereignissen unter Ungewissheit
und Unwissenheit ist das Eintreten eines Risikos kalkulierbar. Bei der
Ungewissheit sind die möglichen Auswirkungen bekannt, man verfügt jedoch nicht
über Informationen zur Eintrittswahrscheinlichkeit. Beim Unwissen sind auch die
Auswirkungen der untersuchten Handlungsalternativen nicht vollständig bekannt.
In beiden Fällen ist das Ereignis mehr als beim Risiko, unkalkulierbar. Es ist
aber auch denkbar, dass weder die Schadenshöhen noch die
Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses bekannt sind. Den Begriffen
Unsicherheit und Ungewissheit kann der Begriff Restrisiko gleichgesetzt
werden.[9]
Wortherkunft
Laut Duden wurde im 16. Jahrhundert das
italienische Fremdwort risico als kaufmännischer Terminus in unseren
Sprachgebrauch aufgenommen. Damals verstand ihn der Kaufmann als gewisse Gefahr
bzw. ein Wagnis.[10] Die Herkunft des italienischen Wortes risico ist jedoch
nicht eindeutig geklärt. Während Großwörterbücher des Deutschen (Duden, Wahrig)
das Wort über das vulgärlateinische, nicht belegte *risicare*resecare („Gefahr
laufen, wagen“) auf das altgriechische ῥίζα (rhiza „Wurzel, Klippe“)
zurückführen, nennt das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache (2000)
als etymologischen Hintergrund nur das postulierte vulgärlateinische *resecum („Felsklippe“),
das als Verbalsubstantiv zu resecare („abschneiden“) den „vom Festland
abgeschnittenen Felsturm, der zur Gefahr für Handelsschiffe wird“ bezeichnet.
Auch das viel ältere Romanische Etymologische Wörterbuch (1935) sieht die
Entwicklung des Wortes im griechischen ῥιζικόν (rhizikon „Klippe“) und der
dazugehörigen Ableitung lat. resecare begründet. Kluge (1999) diskutiert
dagegen eine vorromanische Form riscare, die als Ableitung vom lateinischen
rixari („streiten, widerstreben“) die unkalkulierbaren Folgen eines Widerstands
im Kampf bezeichnen würde. Eine weitere Herkunft liefert der Fremdwörter-Duden.
Dort wird der Begriff vom arabischen (rizq „von Gottes Gnade oder Geschick
abhängigen Lebensunterhalt“) abgeleitet.
Risikobegriff in verschiedenen Fachdisziplinen
Mathematik
Die Auswirkungen des Zufalls drücken sich in
dem Risiko in Vorgängen aus. Daher beschäftigt sich das auf den Zufall
spezialisierte Teilgebiet der Mathematik, die Stochastik, vorrangig mit
Risiken. Die mathematische Statistik, ein Teilgebiet der Stochastik, versucht
durch Untersuchung von Vergangenheitsbeobachtungen vergleichbarer Vorgänge das
vorliegende Risiko zu beschreiben. Die Wahrscheinlichkeitstheorie beschreibt
die mathematischen Grundlagen des Zufalls und der Risiken. Die Risikotheorie
beschäftigt sich mit Risiken, die sich aus komplexen Kombinationen von
Vorgängen ergeben.
Psychologie
In der Psychologie beschäftigt sich die
Risikowahrnehmung mit der Frage, wie Risiken subjektiv empfunden werden. Die
Fehlerforschung befasst sich mit der Erforschung von Denk-, Planungs- und
Handlungsfehlern, die Risiken verursachen oder erhöhen können sowie mit Fragen
der Risikoentstehung durch sicher beherrscht geglaubte Routine.
Entscheidungstheorie
Die Entscheidungstheorie differenziert das
Verhalten eines Entscheiders im Angesicht einer Risiko-Situation.
Risikoaversion oder Risikoscheu bezeichnet die Eigenschaft eines
Entscheiders, bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem
Erwartungswert (= Eintrittswahrscheinlichkeit x Nutzenhöhe) die Alternative mit
dem geringsten Risiko bezüglich des Ergebnisses - und damit auch dem
geringstmöglichen Verlust - zu bevorzugen. Risikoscheue Entscheider bevorzugen
also einen möglichst sicheren Gewinn, auch wenn dieser klein ausfällt.
Risikoneutralität bedeutet, dass ein Entscheider bezüglich des Risikos
indifferent ist, das heißt seine Entscheidung allein anhand des
Erwartungswertes trifft und das dabei evtl. auftretende Risiko nicht mit in
seine Entscheidung einbezieht.
Risikoaffinität, Risikosympathie oder Risikofreude bezeichnet die
Eigenschaft eines Entscheiders, bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit
gleichem Erwartungswert die Alternative mit dem höchsten Risiko bezüglich des
Ergebnisses – und damit auch dem höchstmöglichen Gewinn – zu bevorzugen.
Risikofreudige Entscheider bevorzugen also einen möglichst hohen Gewinn, auch
wenn dieser unsicher ist.
Ingenieur- und Umweltwissenschaften
Umweltwissenschaftler, Planer und
Sicherheitsingenieure bezeichnen mit Risiko das Produkt von Eintrittshäufigkeit
bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit und Ereignisschwere bzw. Schadensausmaß.
Dies ist auch die vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU, siehe Jahresgutachten, 1998) verwendete Definition. Bei der empirischen Anwendung des Konzepts treten z. T. Prognose- und Quantifizierungsprobleme auf. Beispiele zur Lösung dieser Probleme finden sich vor allem in den methodischen Vorgehensweisen zur Abschätzung von Hochwasserrisiken sowie der Hochwasserschadenserwartungswerte.
Dies ist auch die vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU, siehe Jahresgutachten, 1998) verwendete Definition. Bei der empirischen Anwendung des Konzepts treten z. T. Prognose- und Quantifizierungsprobleme auf. Beispiele zur Lösung dieser Probleme finden sich vor allem in den methodischen Vorgehensweisen zur Abschätzung von Hochwasserrisiken sowie der Hochwasserschadenserwartungswerte.
Die Eintrittshäufigkeit bezeichnet dabei die
Häufigkeit, mit der ein Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls
eintritt. So bedeutet z. B. 0,01 Ereignisse pro Jahr, dass im Mittel ein
Schadensereignis einmal in 100 Jahren beobachtet worden ist. Solche
Einschätzungen sind abhängig von den verfügbaren statistischen Daten und
Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie sind nur dann halbwegs verlässlich, wenn
eine genügend große Zahl von Beobachtungen vorliegt (Gesetz der großen Zahlen).
Der Schluss, ein Ereignis mit der beobachteten Eintrittshäufigkeit würde auch
in Zukunft "nur alle 100 Jahre" auftreten, ist bei Zufallsereignissen
ein Fehlschluss.
Die Einheit des Schadensausmaßes hängt vom
jeweiligen Sachgebiet ab. Es können Werte sein, die sich in Geldgrößen
ausdrücken lassen (€), es kann sich aber auch um befürchtete Tote, potenziell
schwer Betroffene oder den Totalverlust eines Flugzeuges handeln.
Selbstverständlich lässt sich nicht jedes Schadensausmaß in Geld ausdrücken,
letztendlich ist mangels einheitlicher Definitionen für "Schaden" die
Bewertung oft subjektiv.
Im Bereich Katastrophenschutz, genauer des
Feuerwehrwesens ist die Brandschutzbedarfsplanung mit den Themen Schutzziel und
Hilfsfrist relevant. Dabei werden neben den obigen Faktoren die Maßnahmen zur
Risikobewältigung (Mannschaftsstärke, Ausrüstung) und Risikoverminderung
(vorzeitige Evaluierung der Risiken, politischer Konsens über Schutzziel bzw
behördliche Vorgabe des Zielerreichungsgrades) betrachtet.
Gesundheitswesen
Eine Auswertung von zahlreichen Studien ergab,
dass pro Jahr im Krankenhausbereich mit fünf bis zehn Prozent unerwünschter
Ereignisse, zwei bis vier Prozent Schäden, ein Prozent Behandlungsfehler und
0,1 Prozent Todesfälle, die auf Fehler zurückgehen, zu rechnen ist. Bei
jährlich 17 Millionen Krankenhauspatienten entspricht dies 850.000 bis 1,7
Millionen unerwünschten Ereignissen, 340.000 Schäden (vermeidbare unerwünschte
Ereignisse), 170.000 Behandlungsfehler (mangelnde Sorgfalt) und 17.000 auf
vermeidbare unerwünschte Ereignisse zurückzuführende Todesfälle. Der gesamte
ambulante Bereich ist darin nicht enthalten.[11]
Soziologie
Seit den 1980er Jahren ist die
Risikogesellschaft in den Sozialwissenschaften stark diskutiert worden. Ulrich
Beck, dessen gleichnamiges Buch den Begriff als zukunftsweisend für eine
„andere Moderne“ beschreibt, wurde sehr populär. Seine Kernthese war, dass die
moderne Gesellschaft sich durch selbstproduzierte Risiken charakterisiere, und
nicht über Fortschritt, wie in der Industriegesellschaft.
In der systemtheoretischen Soziologie wird der
Begriff des „Risikos“ benutzt, wenn eine Entscheidung unter der Unterscheidung
Wissen/Nichtwissen beobachtet wird. Der soziologische Risikobegriff ist damit
immer an Entscheidungen und deren Folgenerwartungen verschiedener Akteure
gebunden.
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann
unterscheidet dabei zwischen „Risiko“ und „Gefahr“. Die populäre Unterscheidung
Risiko und Sicherheit greife zu kurz, da jede Entscheidung Risiken enthält.
Sicherheit sei als allgemeines Ziel zu verstehen, entscheidend ist aber, wie
jemand einem Risiko selbst gegenüberstehe. Habe man selbst die möglichen
negativen Folgen einer Entscheidung zu beeinflussen, schultere man ein Risiko,
das meist auch selbst verantwortet werden muss. Ist man jedoch von Wirkungen
aus der Umwelt (in dem Beispiel vom Wetter) betroffen, so wird dies nach
Luhmann als „Gefahr“ kategorisiert.
Berühmt ist Luhmanns Beispiel des
Regenschirmrisikos:[12]
„Wenn
es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben:
Die
Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn
man den Regenschirm nicht mitnimmt.
Aber
wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.“
Im angelsächsischen Sprachraum wurde schon früh
die Bedeutung der Risikokommunikation erkannt. Hier gibt es eine Tradition der
linguistischen (z.B. Benjamin Whorf) und kulturanthropologischen Forschung
(z.B. Mary Douglas und Aaron Wildavsky), die auf die kulturelle Prägung der
risikobezogenen Semantik verweist. Generell erfolgt die Bewertung von Risiken
heute in interdisziplinären Diskursen, die durch unterschiedliche
professionelle Codes und Semantiken geprägt sind, aber die in die von allen
Akteuren mehr oder weniger geteilte Alltagssprache übersetzt werden müssen.
Darin liegt ein erhebliches Risikopotenzial. [13]
Wirtschaftswissenschaft
Hauptartikel: Entscheidungstheorie
Bei Risiken handelt es sich um
Informationsunsicherheit über den Eintritt eines Sachverhaltes und die dadurch
induzierte Möglichkeit der Beeinträchtigung von Zielen.
Risiken vor dem Entscheidungszeitpunkt (t_E)
Entscheidungsrisiko
rechenökonomische Risiken
Die Entscheidungen werden unter Unsicherheit getroffen. Man trifft in
t_E eine Entscheidung, wobei Abweichungen vom Erwartungswert des Ergebnisses
möglich sind.
Ergebnisrisiko: Risiko im Sinne einer Ergebnisunsicherheit als Folge
einer risikoverbundenen Entscheidungssituation
Opportunitätrisiko: Risiko, dass eine andere Entscheidung günstiger
gewesen wäre.
Risiken nach dem Entscheidungszeitpunkt
Handlungsrisiken
Plan- und Abweichungsrisiko
Bindungsrisiko
Risiken, die zu allen Zeiten existieren
Existenzrisiko
Philosophie
„Hazard” als Bedingung für Freiheit
Dem englischen Mathematiker und Philosophen
John G. Bennett (1897–1974) zufolge macht erst die Möglichkeit des Versagens
die Dinge „wirklich“. So ist echte Freiheit nach Bennett nur in
nicht-determinierten Lebenssituationen denkbar, deren möglicher Ausgang also
tatsächlich offensteht. Diese Fälle, deren besondere Eigenart er mit dem
Vorhandensein von "Hazard" (englisch für Gefährdung, Gefahr,
Gefahrenmoment, Risiko, Wagnis, Zufall) beschreibt, ermöglichen aufgrund dieses
nicht-determinierten Moments dem Individuum eine tatsächliche freie
Willensentscheidung – beinhalten also eine wirkliche Unsicherheit.
In seinem Hauptwerk The Dramatic Universe[14]
behauptet Bennett, dass solche Situationen nicht auf die menschliche Wahrnehmung
begrenzt seien, sondern dass Momente des Hazards ganz konkret auf
physikalischer Ebene zur Grundbedingung des Universums gehören (was auch
interessante Querverweise zu Erkenntnissen der modernen Quantenphysik
eröffnet). Es gibt keinen perfekten Zustand, der von diesem Zusammenspiel von
Unsicherheit und Wille (bzw. Naturgesetzen) frei wäre, da Hazard eine
„Grundkonstante“ der Wirklichkeit darstellt.
Ein weiterer, auch religionswissenschaftlich
interessanter Aspekt ergibt sich daraus, dass Bennett nicht nur Mensch und
Natur als dieser Unsicherheit unterworfen ansieht, sondern auch jede mögliche
Vorstellung eines „Schöpfers“. Aus seinem Postulat, auch Gott sei in seinem
Wirken nicht vom „Naturgesetz“ des Hazard bzw. der Unsicherheit befreit, löst
sich der systemimmanente Widerspruch von menschlicher Freiheit und einer
„Allmächtigkeit Gottes“ auf. Basierend auf der Überzeugung, dass Gott (welcher
religiöser Vorstellung auch immer) nicht allmächtig sein könne, misst Bennett
der Mitverantwortung des Menschen an der Schöpfung einen besonderen Stellenwert
bei.
Geographie
→ Hauptartikel: Geographische
Risikoforschung
Die geographische Risikoforschung analysiert
Effekte von antizipierten Gefährdungen im Schnittfeld von Gesellschaft und
Umwelt. Die Forschung verfolgt zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Bei einem
Teil der geographischen Risikoforschung geht es darum, objektive Risikofaktoren
in der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt zu bestimmen. Ein anderer Teil
untersucht, in Anlehnung an die konstruktivistischen Sozialwissenschaften,
welche gesellschaftlichen Effekte mit der Zuschreibung „Risiko“ verbunden sind.
Spezifische Merkmale der geographischen Risikoforschung ist das Augenmerk für
die Verräumlichung von Risiken und der hohe interdisziplinäre und integrale
Anspruch als Vermittler zwischen verschiedenen Risikokonzeptionen.[15]
Risikomanagement
Unter Risikomanagement versteht man den
planvollen Umgang mit Risiken.
Risikomanagement umfasst die Phasen
Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikokontrolle.
Analog dem Managementkreis werden die Phasen wiederholt durchlaufen und stellen
somit einen Zyklus dar.[16]
Die Phase der Risikoidentifikation wird
vielfach als die größte Herausforderung bezeichnet, da zunächst die Tatsache,
dass überhaupt ein Risiko vorliegt, erkannt werden muss. Dieses erfordert
entsprechende Informationssysteme (z. B. Kennzahlen oder entsprechende
Organisationsstrukturen).[17] Die Risikobewertung versucht, das nun erkannte
Risiko zu quantifizieren. Dieses geschieht in zwei Schritten. Zunächst werden
die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß bei Eintritt des
Schadens bestimmt (s.a. Risikomatrix). Durch Multiplikation dieser beiden
Kennzahlen entsteht eine Art "Risikopotential". Die Herausforderung
in dieser Phase ist die nachvollziehbare Überführung von qualitativen Risiken,
wie z. B. eines Streiks oder eines Vulkanausbruchs, in ein quantitatives
Zahlenwerk. Die Risikosteuerung beschäftigt sich nun mit der Frage, wie das
einzelne Wirtschaftssubjekt mit dem Risiko umgeht. Dazu bestehen die
Möglichkeiten des Selbsttragens des Schadens, der Schadensvermeidung, der
Überwälzung auf andere oder der Risikobegrenzung. Ansätze zur Risikobegrenzung
lassen sich in ursachenbezogene und wirkungsbezogene unterscheiden. Ursachenbezogene
Strategien zielen ex ante darauf ab, die Höhe möglicher Verluste bzw. ihre
Wahrscheinlichkeitsverteilung positiv zu beeinflussen. Wirkungsbezogene
Strategien zielen auf die Abfederung bzw. Abwälzung schlagend gewordener
Risiken ab. Ursachenbezogene Strategien sind die Risikovermeidung und die
Risikominderung. Wirkungsbezogene Strategien sind der Risikotransfer und die
Risikovorsorge. Risikodiversifikation weist zu beiden Strategiearten Bezüge
auf.
Im Einzelnen lassen sie sich wie folgt charakterisieren:[18]
Risikovermeidung ist mit dem Verzicht auf ein Geschäft oder eine
Transaktion gleichzusetzen.
Unter
Risikominderungsstrategien lassen sich zum einen Maßnahmen der
Organisationsstruktur sowie des technischen und personellen Einsatzes bei
Geschäftsprozessen fassen.
Durch
Risikodiversifikation wird ex ante eine günstigere
Wahrscheinlichkeitsverteilung und ein geringeres Ausmaß an Verlusten
angestrebt, gleichzeitig mildert die Diversifikation auch schlagend gewordene
Risiken ex post ab.
Der
Risikotransfer bezeichnet die Übertragung des Risikos auf einen anderen Akteur,
z.B. eine Versicherung oder Kapitalmarktteilnehmer beim Einsatz von Derivaten
oder die Begebung syndizierter Kredite in Zusammenarbeit mit anderen
Kapitalgebern.
Risikovorsorgestrategien betreffen das nach
Einsatz der vorgenannten Strategien verbleibende Kreditrisiko, das durch
Standardrisikokosten (z. B. in Form von Rückstellungen) oder
Eigenkapitalunterlegung abgedeckt wird.
siehe auch: Anlagediversifikation, Moral
Hazard, Adverse Selection, Risikoaversion, Risikofrüherkennungssystem
Siehe auch
Chance, Entscheidung unter Unsicherheit, Gefahr, Internationaler
Risikorat,
Katastrophe, Katastrophensoziologie, Klimarisiko, Risikogesellschaft,
Risikokompensation
Risikotyp, Risk-shift, Riskware, Rückversicherung, SWOT-Analyse,
Wagnis (Begriff), Wagnis (Pädagogik), Wagnis (Psychologie), Wagnis
(Sport), Wagniserziehung, Wagniskosten
Literatur
Bücher
Gerd
Gigerenzer: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. C. Bertelsmann
Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-10103-2.
Ortwin Renn, Pia-Johanna Schweizer, Marion Dreyer u.a.: Risiko – Über
den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit, oekom Verlag, München 2007,
ISBN 978-3865810670.
Igmade (Stephan Trüby u.a., Hrsg.): "5 Codes: Architektur, Paranoia
und Risiko in Zeiten des Terrors". Basel. Boston, Berlin 2006, ISBN
3-7643-7597-3.
John
G. Bennett: Risiko und Freiheit. Hazard – Das Wagnis der Verwirklichung, Zürich
2005, ISBN 3-905272-70-9.
Dirk
Proske: Katalog der Risiken – Risiken und ihre Darstellung. Dresden 2004, ISBN
3-00-014396-3
Siegbert A. Warwitz: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen.
Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten. Schneider-Verlag,
Baltmannsweiler 2001. ISBN 3-89676-358-X.
Peter
L. Bernstein: Wider die Götter – Die Geschichte von Risiko und Risikomanagement
von der Antike bis heute. Gerling Akademie Verlag, München 1997, 475 S.
Gerhard Banse (Hrsg.): Risikoforschung zwischen Disziplinarität und
Interdisziplinarität: Von der Illusion der Sicherheit zum Umgang mit
Unsicherheit, Edition Sigma, Berlin 1996, ISBN 978-3894044268.
Mathias Schüz (Hrsg.): Risiko und Wagnis. Die Herausforderung der
industriellen Welt. Bd. 1 und 2, Pfullingen 1990, 753 S.
Hans-Jürgen Weißbach, Michael Florian, Eva-Maria Illigen u.a.:
Technikrisiken als Kulturdefizite. Berlin
1994, ISBN 3-89404-375-X.
Mary Douglas, Aaron B. Wildavsky: Risk and
Culture: An essay on the selection of technical and environmental dangers.
Berkeley: University of California Press 1982.
Aufsätze
Niels Gottschalk-Mazouz (2002): Risiko, in:
M. Düwell, C. Hübenthal, M. Werner (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart:
Metzler Verlag, S. 485-491 PDF
Walter Krämer: Hysterie als Standortnachteil, oder: Deutschland, eine
Republik der Panikmacher? Vortrag über Risikowahrnehmung auf der Jahrestagung
Kerntechnik 2005, atw – Internationale Zeitschrift für Kernenergie, L/3 –
Oktober 2005, S. 570 - 575, ISSN 1431-5254
Ortwin Renn: Grundsätzliche Möglichkeiten zur Risikoabschätzung und
Risikobewertung. Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9), S. 383 – 386 (2005),
ISSN 0949-8036
Siegbert A. Warwitz: Brauchen Kinder Risiken und Wagnisse ? In:
Grundschule 11 (2002)54 ff
Weblinks
Wiktionary: Risiko – Bedeutungserklärungen,
Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Risiko – Zitate
Bundesinstitut für Risikobewertung
Sven Ove Hansson: Eintrag In: Edward N. Zalta
(Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy
Informationsdienst
www.risikomanagement.info des Kieler Instituts für Krisenforschung, Spin-Off
der Universität Kiel (mit zahlreichen Fallstudien, Fachbeiträgen etc.)
RiskNET Umfangreiches
RisikomanagementWeb-Portal
Society for Risk Analysis (englisch)
What is Financial Risk? (english)
Einzelnachweise
Der
Begriff "Risiko" wurde ins Deutsche im 16. Jhdt. aus dem
Italienischen übernommen zusammen mit der Bedeutung des italienischen Wortes
risico, "gewisse Gefahr, Wagnis". Für die umstrittene Herkunft des
italienischen Wortes siehe den Abschnitt "Wortherkunft".
Krause, Lars / Borens, David: Das strategische Risikomanagement der ISO
31000, zweiteilig, ZRFG 4+5/2009.
J. G.
Bennett: Risiko und Freiheit. Hazard – Das Wagnis der Verwirklichung, Zürich,
2005
H.
Röhrs (Hrsg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966
J.
Messner: Das Wagnis des Christen. Innsbruck-Wien-München 1960
S.
Warwitz: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Baltmannsweiler 2001
S.A. Warwitz: Brauchen Kinder Risiken und
Wagnisse? In: Grundschule 11 (2002)54 ff
Krause, Lars: Das Risiko im Gefahrstoffrecht, StoffR 1/2009, S. 20ff.
Krause, Lars: Das Risiko und Restrisiko im Gefahrstoffrecht, NVwZ 82009,
S. 496ff.
Duden, Das Fremdwörterbuch, Bd. 5, 2007, 9. Aufl.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen, Kooperation und Verantwortung, BMG 2007
Niklas Luhmann: Die Moral des Risikos und das Risiko der Moral, in:
Gotthard Bechmann (Hrsg.): Risiko und Gesellschaft – Grundlagen und Ergebnisse
interdisziplinärer Risikoforschung, Opladen 1993.
H.-J.
Weißbach u.a.:Technikrisiken als Kulturdefizite, Berlin 1994, S. 30.
Volume 2 (The Dramatic Universe. Volume Two The
Foundations Of Moral Philosophy) erschien 1966, Verlag Hodder and Stoughton.
vgl. Detlef Müller-Mahn:
Perspektiven der Geographischen Risikoforschung. In: Geographische Rundschau.
59, Nr. 10, 2007, S. 4–11.; Heike Egner und Andreas Pott: Risiko und Raum. In:
Heike Egner und Andreas Pott (Hrsg.): Geographische Risikoforschung: Zur
Konstruktion verräumlichter Risiken und Sicherheiten (= Erdkundliches Wissen.
147). Franz Steiner, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-515-09427-6, S. 9–31.
Reh,
Daniel: Entwicklung einer Methodik zur logistischen Risikoanalyse in
Produktions- und Zuliefernetzwerken, S. 20.
Moder, Marco: Supply Frühwarnsysteme – Die Identifikation und Analyse
von Risiken in Einkauf und Supply Management, S. 24.
Schierenbeck, Henner: Ertragsorientiertes Bankmanagement 2, S. 194
Kategorien:
Risiko
Technikfolgenabschätzung
Diese Seite wurde zuletzt am 30. September 2014 um 23:39 Uhr geändert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Risiko
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